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Veranstaltet von der International Brecht Society (IBS) und dem Centre of Competence for Theatre (CCT) an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig und dem Schauspiel Leipzig Zeit seines Lebens war Bertolt Brecht konfrontiert mit dem Fremden. Er war ihm ausgesetzt an allen Schauplätzen seines Lebens, auf denen er sich als einer unter Fremden bewegte. Und er hat die Erfahrung des Fremden zum Angelpunkt seines gesamten künstlerischen Schaffens gemacht. Seine Stücke, Prosa und Gedichte ebenso wie die Texte zur Theaterarbeit und zu anderen Künsten sowie zu Politik und Gesellschaft insistieren darauf, dass Fremdheitserfahrung die Voraussetzung einer künftigen Gemeinschaft unter Fremden ist. Brechts intensive Auseinandersetzung mit dem Fremden ist hochaktuell in einer Zeit, in der Fremdenangst und Fremdenhass tagtäglich unsere Unfähigkeit unter Beweis stellen, in einer Zeit der Globalisierung und der Migrationsgesellschaften unter Fremden zusammenzuleben. Zusammen mit Brecht einen Beitrag zur Konvivenz mit (dem) Fremden zu leisten, ist das generelle Ziel des Symposiums BRECHT UNTER FREMDEN. Unter dem Fremden ist dabei nicht das Exotische und weit Entfernte zu verstehen. Gemeint sind nicht allein die Fremden (foreigners) von außerhalb und deren Sitten und Gebräuche, die uns fremd (strange) anmuten mögen. Eine von Brecht ausgehende Perspektive richtet sich vielmehr auf ein radikales, nicht integrierbares Fremdes, das zuallererst im Eigenen (der Kultur, der Lebensgeschichte,des Ich) zu finden ist. Erst die Erfahrung des Fremden im Eigenen durch das Fremdwerden der eigenen Erfahrung ermöglicht nach Brecht, dass Menschen, gleich ob Einheimische oder Migranten, als Fremde unter Fremden zusammenleben können. Das Thema des Symposiums soll in seiner historischen, theoretischen, regionalen und praxeologischen Dimension anhand von vier zentralen Thesen untersucht und konkretisiert werden: Brecht muss uns (wieder) fremd werden. Die Kanonisierung Brechts und des Epischen Theatersnach seinem Tod in Ost und West haben Brecht um den »Stachel des Fremden« (B. Waldenfels) gebracht, welcher ihn zu einem Zeitgenossen machte, der der Gegenwart etwas zu sagen hat. Erforderlich ist deshalb ein historisierender Blick auf Brecht, der ihn, in der Zeit seines Lebens wieseines Nachlebens, als einen wahrnimmt, der stets ein Fremdkörper in seiner Umgebung geblieben ist. Die Perspektive auf einen »Brecht unter Fremden« kann produktiv werden, wenn sie seiner Vereinnahmung in der Gegenwart entgegenwirkt und den Blick freigibt auf einen »fremden Brecht«. Die Wiedergewinnung eines fremden Blicks auf Brecht ist eine erste wichtige Aufgabe des Symposiums. 2Mit Brecht arbeiten wir an der Theorie eines zeitgenössischen »Theater unter Fremden«. Die Dynamik der Globalisierung verlangt ein neues Nachdenken über die Idee von Theater, die der veränderten Gemengelage von Eigenem und Fremdem, Nahem und Fernem, Gleichzeitigem und Ungleichzeitigem, von Migration und Residenz gerecht wird. Sie verlangt nach der Theorie eines »transkulturellen Theaters« (G. Heeg). Anders als das Konzept des Interkulturalismus unterscheidet ein »transkulturelles Theater« nicht mehr zwischen dem kulturell Eigenen und dem Fremden, sondern fokussiert die Verschränkung des kulturell Eigenen und Fremden innerhalb der jeweils vermeintlich eigenen Kultur weltweit. Brechts Theaterarbeit hält die Ideen für ein zeitgenössisches »trans-kulturelles Theater« bereit. Es ist »Theater unter Fremden«. Auf Brechts Spuren weiterzuarbeiten an der Theorie eines transkulturellen Theaters ist eine zweite wichtige Aufgabe des Symposiums. Brecht wird in einer globalisierten Welt dringend gebraucht. Ein Theater und eine Literatur unter Fremden nach Brecht sind an der Zeit. Von seiner Dringlichkeit zeugen die Massenflucht von Menschen vor Krieg, Hunger und Armut über Land und Meer, brennende Unterkünfte von Geflüchteten, Fremdenangst und Fremdenhass. Die Bruchzonen der Globalisierung, von denen keine Weltgegend ausgenommen ist, treiben Regionen und Länder in die Marginalisierung und lassen fundamentalistische Bewegungen entstehen. Ihre spezifischen lokalen und regionalen Verlaufsformen erfordern unterschiedliche künstlerische Verfahren, um ihnen zu begegnen. Sie erfordern einen jeweils anderen Brecht, der aus einem fremden kulturellen Setting heraus auf seine transkulturelle Relevanz befragt wird. Eine dritte wichtige Aufgabe des Symposiums wird sein, die lokalen und regionalen sozialen Brennpunkte in der Welt aufzusuchen und zu analysieren, wie ein Theater und eine Literatur unter Fremden nach Brecht hier eingreifende Wirkung entfalten können. Theater nach Brecht ist kulturelle Praxis von allen für alle. So sehr Brecht an der Zusammenarbeit mit professionellen Schauspieler*innen interessiert war, so sehr hat er sich auch eingesetzt für ein erweitertes Verständnis von Theater als elementarer kultureller, gesellschaftlicher und anthropologischer Praxis, die nicht auf den Bereich des Kunsttheaters beschränkt ist. Ein Theater unter Fremden nach Brecht umfasst auch Theater mit nichtprofessionellen Akteuren. Theater als kulturelle Praxis für alle und von allen ist ein besonders geeignetes Medium, den Umgang mit dem/den Fremden zu erlernen. Für die Theaterarbeit mit nichtprofessionellen Akteuren hat Brecht das Modell des Lehrstücks entworfen, das seither vielerlei Ausprägungen und Fortentwicklungen erfahren hat. Die Weiterarbeit am Modell der Lehrstücke im Horizont eines Theaters unter Fremden ist die vierte wesentliche Aufgabe des Symposiums.